Es weht ein frischer, sehr sehr frischer Nordostwind über das flache Flandern. Wir kuscheln uns hinter ein graffitibemaltes Trafohäuschen, das ein wenig Windschutz bietet und exponieren uns in ein paar wärmende Sonnenstrahlen. Es dauert noch mindestens eine Stunde, bis alle beisammen sind. Auf der anderen Straßenseite ist ein zugiges WC-Häuschen aufgebaut.
Die Besetzung ist international, von polnisch über flämisch bis französisch. Es gibt Rennboote, Wildwasserboote, Kanadier und Wanderboote wie unsere. Als es los geht, sind wir ganz steif von der Kälte. Wir paddeln durch Schilf. An Kreuzungen weisen uns die Schilder des BKK, des Brugse Kayak Klub den Weg, bis wir in einen Stau kommen.
Aha, umsetzen. Raus aus dem Wasser, rauf auf den Hügel, rüber über die Straße und steil wieder runter. Die freundlichen Kumpels vom Brugse Kayak Klub haben einen Ponton aufgebaut und heben und schieben alle in die richtige Richtung. Ich lerne trap heißt Treppe auf flämisch.
Das Wasser ist nun deutlich breiter und wir paddeln und paddeln. Da kommt die angekündigte sluize, die Schleuse. Alles raus – mit kräftiger Unterstützung unserer flämischen Paddelfreunde. So können wir mal die Beine strecken und, ach ja, laufen und schleppen und laufen gefühlt durch den halben Ort, also fast. Ab aufs Wasser und weiter geht’s, immer weiter, bis zu einer Brücke. Die hat jemand so gebaut, dass kaum ein Mäuschen durch passt, von Paddlers ganz zu schweigen. Welche probieren es trotzdem, seitwärts, rückwärts, mit Nachdrücken – no way. Alle wieder raus und rüber. Diesmal kein Ponton, kein freundlicher Flame, wir müssen alles alleine machen. Und – oh weh – auf der anderen Seite geht es ganz schön tief runter vom Rand in’s Boot. Der erste lässt sich mutig reinplumpsen – geschafft. Der nächste eiert ein bisschen rum, da kommt ein französischsprachiger Paddelpapa, packt ihn kurzerhand am Kragen und setzt ihn rein. Fantastisch! Die nächste will auch mal und er lässt sich nicht lange bitten und hebt sie rein. Das macht Spaß und sie würde gerne nochmal, encore une fois! Doch er ist mit seiner Gruppe beschäftigt und sie paddeln uns mit ihren Wildwasserbooten schnell davon.
Mittlerweile sind wir in Brügge neben der Straße mit dem stetigen Summen des Feierabendverkehrs. Auf der anderen Seite Windmühlen, alle paar Meter eine. Wir staunen sie vom Wasser aus an und paddeln mit den Autos um die Wette. Ach ja, Brügge feiert Fastnacht heute und hat ein paar Umzugswagen engagiert. Da wundert sich das Volk vom Rhein.
Schließlich, nach etwa 4 Stunden kommen wir an unserem Hotelbootje vorbei. Nur noch wenige Meter bis zum Verein, wo es schon fast keine freie Fläche mehr zum Bootablegen gibt. Wir holen uns ein warmes Süppchen und strecken die krumm und steif gefrorenen Finger. Pause! Denn bald geht es wieder raus.
Brügge bei Nacht
Wir müssen uns teilweise überwinden. Es ist knapp über dem Gefrierpunkt, doch es fühlt sich angenehmer an, als am Tag, da der Wind sich gelegt hat. Also die Stirnlampen an, die Lichterketten drapiert und los zum historischen Brügge bei Nacht.
Wir passieren die Einfahrt, überall blinken Lichter von vorausfahrenden oder entgegenkommenden Booten. Und – zack – Ende, wir müssen wieder raus. Über einen stark schwankenden Steg, eine steile trap hinauf und wieder hinunter, au weia. Ponton unten, Brücke oben, Stau vorne, Gedrängel hinten, wir atmen und paddeln den Stress einfach weg und versuchen, uns nicht zu verlieren. Und wo sind wir nochmal abgebogen? Überall Boote und Lichter, links und rechts historische Fronten, der Atem gefriert vor der Nase. Welche schaffen es noch bis ins historische Zentrum, andere kürzen ab.
An der Umtragestelle hören wir Geschrei. Ein Riesenkanadier blockiert den Ponton. Links und rechts Stau, andere drängeln sich vorbei. Was ist los? Wir sehen, wie jemand weg getragen wird wie ein nasser Sack. Der Kanadier wird hinterher geschoben, kaum vorstellbar, wie das Riesenschiff die trap hoch kommen soll. Der Stau löst sich auf. Wir eiern noch etwas rum, werden links und rechts überholt, und landen doch wohlbehalten auf dem Wasser und schließlich beim Brugse Kayak Klub. Nochmal 8 Kilometer fürs Fahrtenbuch. Feierabend, juhu.